Sterzinger von Sigmundsried

Krieg 1703, 1796-1801

 

Der Held von Pontlatz

Martin Andreas Sterzinger von Siegmundsried

und Turm in der Breite


Auszug vom Beitrag zur 200 jährigem Gedenken an Pontlatz 1703

1903 K.K Professor Noggler


Schon am 31. August 1664 verlieh Erzherzog Siegmund Franz dem Martin Sterzinger (Großvater von dem Helden), Gerichtsanwalt und Urbaramtmann der Herrschaft Laudegg, sowie seinem Vetter Tobias Sterzinger, „Im Anbetracht seiner Verdienste, für nämlich aber in Anbetracht der unterthänigsten, gehorsamsten und treuen Dienste, welche er und seine Voreltern in Verrichtung verschiedenster Ämter von Vielen Jahren her mit besonderem Fleiss Emsigkeit uns und unserem Hause Österreich erzeigt“, den Adel mit dem Prädikat zum Turm in der Breite und unter gleichzeitiger Bestätigung und Verbesserung des von alther erworbenen Wappens der Familie.

Dieser Martin Sterzinger (Großvater von dem Helden) war der Sohn Nasserreither Salzfaktors Peter 2. (Die Sterzinger aus Nasserreith hatten den Salzhandel über den Fernpass unter). Aus dessen zweiter Ehe mit Barbara Fur, sein Neffe Tobias ein Sohn seines Vaters mit Margarethe Roschmann sich mit der Fortführung der Geschäfte in Nassereith, vornehmlich der Salzfaktorei begnügte.

Schon 24 Jahre nachher, nämlich am 29. Oktober 1684, verlieh dann Kaiser Leopold den vorerwähnten Tobias Sterziger zum Turm in der Breite, Pfannhaus Amtmann, und dessen Bruder Franz Sterzinger, beider Rechte Doktor und Ö. Regementsadvokaten, sowie seinem Vetter Adreas Sterzinger (Vater des Helden), Pfleger der Herrschaft Laudegg, dem Sohne des vorgenannten Martin Sterzinger zum Turm in der Breite nebst neuerlicher Wappenbesserung, und zwar vornehmlich wider in Anbetracht der getreuen und ersprießlichen Dienste, welche deren Voreltern und Eltern dem Hause Österreich über mehr denn hundert Jahre geleistet hatten.

Welcher Tiroler kennt nun nicht den Namen des Martin  Andreas Sterzinger von Sigmundsried und zum Turm in der Breite, des heldenmutigen Anführers der Männer aus den vier Gerichten Landeck, Laudegg, Pfunds und Naudersberg, durch welche am 1. Juli 1703 ein ganzes Bayrisches Korps bei der Pontlatzbrücke vernichtet wurde?

Gab doch diese Tat den Anstoß zur Schilderhebung des Tiroler Volkes gegen die frechen Eindringlinge und zur Endgültigen Befreiung des Vaterlandes von Fremden Joche.

Dieser Martin Andreas Sterzinger, der Held von 1703, ist der leuchtende Stern aus dem Hause der Sterzinger, und es möge mit daher gestattet sein, einige kurze Bemerkungen über dessen Leben und Wirken hier einzuschalten.


Martin Andreas Sterzinger war der Sohn des oben erwähnten Andreas Sterzinger von Sigmundsried zum Turm in der Breite aus seiner Ehe mit Anna Rott, Tochter des Christian Rott, Pflegers der Herrschaft Laudegg in Ried, und ein Enkel des ebenfalls schon erwähnten, 1664 geadelten Martin Sterzinger, des  Begründers dieser  Linie.



Gemälde auf der Loreto Kapelle : Abgebildet die beiden Stifter von 1654 Kurat Gaulrapp und Andreas Sterzinger von Sigmundsried Pfleger vom Gerichtsbezirk Laudegg und Vater des Helden Martin Andreas Sterzinger von Sigmundsried und Turm in der Breite.


(Dieser Martin war der Stammvater der Sterzinger zum Turm in der Breite, die neben den von seinem in dem Ritterstande erhobenen Sohne Andreas und dessen beide Vetter abstammenden, später immatrikulierten Herren von Sigmundsried und zum Turm in der Breite länger fortlebten, gleich diesen aber heute ausgestorben sind. Die Sterzinger zum Turm in der Breite sind in der Adelsmatrikel nicht eingetragen und führen ihr Prädikat auf Grund des Adeldiploms von 1664. Sie sind Nachkommen des Martin aus seinen späteren Ehen)

Schon der Großvater verstand es in ausgezeichneter Weiße den Wohlstand und das Ansehen Hauses zu heben .Er war nicht weniger als viermal Vermählt, und ansehnliche Vermögen , das ihm seine Frauen zubrachten ,wusste er durch kluge Sparsamkeit und große Geschäftskenntnisse zu vermehren. Seine erste Gemahlin v. Pedroß Besitzer in des Adeligen Ansitz Trostturm in Mals, war die Großmutter des Helden. Durch sie trat die Familie mit den Vornehmen Häusern des Oberen Vintschgaues in Verbindung, welches Verbindungen in der Folgezeit sich bis Paretschins, Schenna und Lana im Burggrafenamte erstreckten. Gefördert wurde dies noch dadurch, höchswahrscheinlich Martin Sterzinger mit den Stachelburgern gemeinsam von der Hofkammer in Innsbruck mit den Getreidelieferungen durch den Vintschgau betraut war. Er erwarb dann den Edelsitz Turm in der Breite in Prutz und starb 1683 als Gerichtsanwalt und Urbaramtmann der Herrschaft Laudegg in Prutz, wo selbst er in der von ihm erbauten Antoni= Kapelle begraben liegt.

Hatte so schon der Großvater für die seine Linie einen Wirkungskreis, nämlich das obere Inntal, erschlossen, so muss doch erst Andreas, der Vater des Helden,  als  der eigentliche Begründer des Ansehens dieses Familienzweiges angesehen werden.

Er erwarb nämlich die kleine Ortschaft Steinbrücke bei Ried, wo er auch 1679 das Kirchlein erbaute, so dass er sonst so leicht über das Ziel hinausschießende Beda Weber nicht mit Unrecht diese Örtchen die Wiege der Herren von Sterzinger, der Sieger bei der Pontlatzbrücke, nennt.

Er erwarb dann auch den Ansitz Sigmundsried und starb 1699 als Pfleger der Herrschaft Laudegg, welches Amt er von seinem Schwiegervater übernommen hatte.

Schon 1699 erscheint die Familie in der Tiroler Adelsmatrik; eine neue Eintragung der edlen Ritter von Sterzinger erfolgte wieder am 1 Juni des Jahres 1720.

Alle älteren Schriftsteller, welche die Adelsverleihung an Martin Andreas, den Helden von 1703, als eine Folge von dessen Verdiensten aus diesem Jahre ableiten, sind daher unrecht berichtet und mit voller Berechtigung schreibt der Rektor der Tiroler Geschichtsschreibung, Monsignor Albert Jäger, in seinem Werte „ Tirol und der Bayrische Einfall im Jahre 1703“ : „ Martin Andreas Sterzinger war ein Mann von gutem, der Landmatrikel einverleibtem Adel; seine Vorfahren hatten bereits 150 Jahre dem Kaiser und Reich gedient“. Er war am 4. März 1664 zu Imst geboren und wurde am 10. Mai1683 in der Kirche zu Rabland mit Frau Maria Elisabeth von und zu Goldegg getraut. Nach seiner Verehelichung verblieb er bis zum Jahre 1687 an der Seite seines Vaters in Ried.

1688 erscheint er als „ teleonarius und praefectus oenotrianus“ im Schlosse Naudersberg, von wo er dann nach dem Tode seines Vaters 1699 nach Ried zurückkehrte und die Pflegschaft von Laudegg übernahm.

Schloss Sigmundsried:

Verwaltungssitz des Gerichtsbezirk Laudegg seit 1550.

Die Sterzinger tragen nach der Adelsverbesserung den Namen Sterzinger von Sigmundsried und Turm in der Breite.

Viele Jahre hatte die Familie Sterzinger die Pflegschaft vom Bezirksgericht Laudegg inne und waren stolze Besitzer vom Schloss Sigmundsried.


Aus seiner Ehe stammten neun Kinder, vier Söhne und fünf Töchter. Von seinen Söhne starben drei ohne Nachkommenschaft; sein Sohn Johann Martin,  geboren am 10. Oktober 1694b in Nauders, vermählte sich am 22. Jänner 1722 mit Maria Elisabeth v. Sagburg in Lana und pflanzte die Linie fort, die aber schon mit seinen beiden Söhnen 1788 im Mannesstamme erlosch. Durch seine Töchter trat er in Verbindung mit den ersten Häusern des oberen Inntales, wodurch natürlich sein Ansehen sich hier ungemein Kräftigte.

Wie schon oben gezeigt wurde, zeichneten sich schon sein Vater und Großvater durch ihren frommen Sinn aus, indem letzterer die Antoni Kapelle zu Prutz, ersterer die zum  heil. Josef zu Steinbrücken erbaute, sowie den Bau der Kapelle Maria von Loreto zu Ried kräftigst förderte ( Abbild des Andreas Sterzinger auf der Fassade mit Herrn Gaulrapp), und diese fromme Gesinnung ging auch auf den Helden an der Pontlatzerbrücke über,  der am Abende seines Lebens sogar in den geistigen Stand eintrat.

Dies muss bereits vor dem 27. Juni des Jahres 1710 geschehen sein, denn an diesem Tage wurde das Sterzigersche Lehen des Eisterturmes in Imst, das schon sein Vater nebst dem Viertelzoll der Herschaft zu Nauders besaß, seinem Bruder Christian Josef Sterzinger als Lehenträger für sich und seine Geschwister verliehen.

Wo Martin Andreas Sterzinger seine letzten Tage beschloss, ist nicht bekannt; sein Rum wird fortleben, solange Tiroler Herzen schlagen und sich freuen der Taten Ihrer Ahnen. Über dessen persönliche Eigenschaften, sowie die Mitwirkung seiner Verwandten bei dem Ruhmvollen Werke, von dem uns an Ort und Stelle eine am 10. November 1881 errichtete Gedenktafel Kunde gibt, schreibt Albert Jäger :

„ Bedeutende Kenntnisse, populäre Beredsamkeit und der Ruf  unbescholtener Rechtlichkeit hatten Ihn schon lange Tal auf Tal ab beim Volke beliebt gemacht. Er übernahm sofort die Ausführung des verabredeten Planes, _ sein Vetter, Peter Sterzinger, Gerichtsschreiber zu Landeck, dann Christian Josef Sterzinger und Andreas Sterzinger standen ihm hilfreich zur Seite“.


Wenn nun auch zugegeben werden muß, dass gerade diese persönliche Eigenschaften es vorzüglich waren, die Ihn an die Spitze der Bewegung riefen, so muß doch ein anderer Umstand hier hervorgehoben werden, der gewiß nicht minder in die Wagschale fällt und unseres Wissens noch nirgends stärker betont wurde.

Martin Andreas Sterzinger war nicht bloß seiner persöhnlichen Eigenschaften und seiner amtlichen Stellung halber zum Anführer geeignet, ihn befähigten hierzu vor allem die verwandschaftlichen Beziehungen, in denen er und sein Haus zu den ersten Familien des oberen Inntales standen.

Dr. Emanuel Sterzinger, K.K. Notar in Wien, der schon seit Jahrzehnten mit unermüdlicher Ausdauer alle auf die Familie Sterzinger bezüglichen Nachrichten sammelt, teilt hierüber Folgendes mit:

„ In Zams wohnte die Deszendenz des Josef Sterzinger, eines Sohnes des bereits erwähnten Salzfaktors Peter 2. Von Nassereit. In Landeck lebte der Patriot Johann Linser, in dessen Posthause die Verteidignugsmaßregeln wiederholt besprochen wurden. Dieser war vermählt mit Euphrosine Sterzinger zum Turm in der Breite, einer Base des Martin Andreas, nämlich des Peter Sterzinger in Prutz, Gerichtsanwalt der Herrschaft Landeck. In Fließ, in unmittelbarer nähe des Kriegsschauplatzes saß die Familie Fischer von Rosenburg, aus welcher sowohl der Bruder des Helden, Christian Josef, seine Gattin Maria Franziska, als auch dessen Vetter, Josef Franz Sterzinger zum Turm, seine Gemahlin Ursula sich geholt hatte. In Prutz und Ried lebten nicht nur die zahlreichen nächsten Angehörigen des Martin Andreas Sterzinger, sondern auch die angesehene und einflussreiche Familie PAYR, welche mit der Familie von Sterzinger in männlicher und weiblicher Linie mehr als zehnfach verschwägert war. In Finstermünz waltete Georg Sterzinger als Zoller. In Nauders hatte Martin Andreas selbst längere Zeit als Pfleger gewirkt und ihm war 1699 in diesem Amt sein Vetter Josef Franz Sterzinger zum Turm in der Breite gefolgt. Aber noch weiter hinunter in den Vintschgau reichten die Beziehungen der Familie. Martin Andreas selbst besaß, wie bereits gesagt, von seiner Großmutter Regina Pedroß den Edelsitz Trostturm in Mals nebst zahlreichen Gütern; seine Schwester Anna Regina, geboren in Ried am 7. Jänner 1675, war vermählt mit einem Herrn Fröhlich von Fröhlichsburg aus dem selben Orte. Er selbst hatte sich als Gattin Maria Elisabeth von Goldegg aus Partschins gewählt, welche in fortwährender Verbindung mit der Heimat stand, was schon aus dem Umstand erhellt, dass laut Taufbuches der Pfarrer von Nauders ihre sämtlichen dort geborenen Kinder von Frau Ottilia Eleonora von Stachelburg, geborenen Baronessen von Morenberg, aus Partschins aus der Taufe gehoben wurden.“


Wer nun aber weiß, welchen Einfluss zu allen  Zeiten, besonders aber in den vergangenen Tagen, die hervorragende Familien auf die Massen ausübten, wird es begreiflich finden, dass der verderbliche Streich gegen die Vaterlandsfeinde so rasch, so umsichtig und so geheim vorbreitet und durchgeführt werden konnte. Die Freundschaft, welche die Häupter der Erhebung verband, ermöglichte den kühnen Plan, unter den Augen des Feindes dessen Vernichtung zu beschließen, und die Übertragung der Durchführung dieses Planes  an Martin Andreas Sterzinger, die freiwillige Unterordnung aller seiner Familienmitglieder und Freunde unter seine Führung ist das glänzende Zeugnis für seine geistige Überlegenheit und seine Tatkraft. Und es war eine kühne Tat, die als erstes Anzeichen glühender Vaterlandsliebe in der Bergschlucht zwischen der Pontlatzerbrücke und Landeck ein ganzes bayrisches Korps dem Untergang weihte zu einer Zeit, in der der übermächtige Gegner im leicht erlangten Siegesrausche breits des Fuss auf den Nacken des kaisertreuen Landes  setzen zu können vermeinte.



Die Steinlawinen, welche die Reihen der Bayern niederschmetterten, die sicheren Schüsse der Scharfschützen, die deren Rest vernichteten, weckten ein weithin schallendes Echo, das von Berg zu Berg rollte, und bald erblickten Inntals Fahne den Feind nicht mehr., der in ohnmächtiger Wut über seine Niederlage beim Verlassen des Landes seinen Namen noch durch Greueltaten brandmarkte, wie sie die Geschichte nur selten dem schaudernden Leser zu berichten weiß. Wie gesagt wurde Martin Andreas Sterzinger von Sigmundsried und Turm in der Breite auch tatkräftig von seinen Brüdern und Vettern bei diesem Anlass unterstützt. Es möge gestattet sein, über die von Albert Jäger angeführten Sterzinger einige kleine Bemerkungen nach den Aufzeichnungen Dr. Emanuel Sterzinger beizufügen.



Der Riederschützenhauptmann trägt einen weißen Mantel der vom Martin Andreas Sterzinger von Sigmundsried : den Helden von Pontlatz, Pfleger vom Gerichtsbezirk Laudegg, stammt. Teile der orginalen Pontlatzfahne sind im Gemeindehaus Ried.


Christian Josef Sterzinger von Siegmundsried zum Turm in der Breite, ein Bruder des Martin Andreas Sterzinger ( Held von Pontlatz), beteiligte sich als Hauptmann an den Kämpfen bei der Pontlatzbrücke und bei der Feste Ehrenberg. Er war am 9. September 1670 zu Ried geboren, wurde dort am 16. Mai 1693 mit Maria Franziska Fischer von Rosenburg getraut und starb zwischen 1741 und 1749, was wir daraus schließen, weil er in Lehenreversen aus diesem Jahren, und zwar in ersterem noch als Lehenträger erscheint, in letzterem aber als verstorben bezeichnet wird. Welchen Einfluss er auf den Gang der Ereignisse von 1701 bis 1703 nahm, ersehen wir deutlich aus dem Bestandskontrakt, den er als „käpferlicher Umgeldsverraither“ 1716 mit der o.ö. Hofkammer wegen des Weglohnes zu Gramblach abschloß, welchen Weglohn er bereits seit 1706 gepachtet hatte.

Er hatte diesen Weglohn gegen einen jährlichen Pachtzins von 150 fl. Vorzugsweise deshalb erhalten, weil er der tirolischen Kammer laut Schuldbrief vom 6. Juni 1701 zur Landesverteidigung 3000 fl. Rheinisch vorgestreckt, ferner große Unkosten mit der Herstellung und unklaghaften Instandhaltung der Straße und Landegger Brücke gehabt und eine steinerne Arche aufgeführt hatte, vor allem aber „wegen der von seinem Bruder und auch ihm selbst beim französisch-bairischen Einfall 1703 ruemblich erworbenen, auch seither vermehrten meriten“ . Schließlich mag noch vermerkt werden, dass er in dem Lehenbrief vom 10. Februar 1714 um den Eifterturm in Imst und den Viertelzoll von Nauders als Pflegsverwalter der Herrschaft Laudegg  bezeichnet wird.

Auch der jüngste Bruder des Martin Andreas Sterzinger von Siegmundsried zum Turm in der Breite, beteiligte sich, obwohl erst zwanzig Jahre alt, als Fähnrich an den Kämpfen bei der Pontlatzbrücke und bei Ehrenberg. Er war ebenfalls zu Ried, und zwar am 11. Jänner 1683, geboren und vermählte sich am 6. Mai 1715 mit Magdalena von Dietrich. 1731 erscheint er als Pflegsverwalter der Herrschaft Laudegg, in  welchem Amte er seinen Brüdern nachfolgt sein muss. Im Jahre 1724 schloss er mit der o.ö. Hofkammer einen sechsjährigen Bestandskontrakt wegen aller herrschaftlichen Urbarsgefälle und Schlossgüter, welcher Vertrag 1731 und 1739 auf je weitere sechs Jahre verlängert wurde. Im zuletzt genannten Jahr erscheint der Pachtschilling mit 875 fl. Für das Jahr festgesetzt, und zwar vorzüglich wegen der für „ihme militirenden Motiven und Meriten“ . Albert Jäger führt dann noch den Vetter des Tiroler Helden, Peter von Sterzinger zum Turm in der Breite, als aktiven Teilnehmer am Kampfe bei der Pontlatzbrücke an. Da schon sein Vater Peter ein Stiefbruder des Vaters unseren Helden, 1664 als Schützenmeister des Gerichts Laudegg erscheint, stand gewiß auch er bei den Schützen im größten Ansehen. Erselbst war 1673 zu Prutz geboren, vermählte sich 1694 daselbst mit Elisabeth Hoppe und nach deren 1712 erfolgten Ableben mit Gertraud Egg. Er war Schwager des hochverdienten Postmeisters Johann Linser von Landeck. 1706 erscheint er als Zöllner und Gerichtsschreiber im Gericht Laudegg. 1721 und 1722 wird er „oberinnthalischer Waldmeister“ zu Prutz genannt.

Überblicken wir diese ganze, auf authentischen Quellen beruhende Darstellung, so dürfte der Schluss kaum zu gewagt erscheinen, dass bei dem gewaltigen Schlage vom 1. Juli 1703 in ganz besonderem Maße die Familie Sterzinger mitgewirkt und dass ihr daher der Ehrenplatz in diesen Tagen des Ruhmes zukommt.



Tirol

und der

baierisch-französische Einfall

im Jahre 1703


Aus archivalischen und andern gedruckten und ungedruckten Quellen bearbeitet von P. Albert Jäger 1844


Kapitel 13.


Sieg der Oberinntaler an der Pontlatzerbrücke


Alter Ruhm der Oberländer - Die Baiern in Landeck - Zustände im Oberland vor der Baiern Ankunft - Martin Sterzinger und andere Patrioten - Verschwörung im Linserischem Hause - Sterzingers Aufgebob an die vier Gerichte - Vorbereitungen zum Empfang der Baiern in den Schluchten zwischen Landeck und Prutz - Seelos von Imst – Aufbruch der Baiern - Die Engpässe - Der Hinterhalt - Die Vernichtung der Baiern - Der Held Dominik Tasch - Graf Porzia erschlagen - Menschlichkeit der Landecker gegen die gefangenen Feinde - usw...




Abschrift und gedippt von Patscheider Günter


Während die Südtiroler, und unter ihnen vorzugsweise die Etschländer, für alte Freiheit und altes Recht begeistert zu den Waffen griffen, und an den quellen des Eisacks Beweise ihres Mutes ablegten, bedeckten sich auch die vier hochgelegenen Gerichte des Oberinntales, Landeck, Laudeck, Pfunds und Naudersberg mit unvergänglichem Ruhme. Schon aus den Tagen des erniedrigten Herzogs Friedrich als klassische Heimat begeisterter Fürstenliebe bekannt, hatten sie jetzt wieder Gelegenheit, die Umwandelbarkeit ihrer Treue zu Fürst und Vaterland zu beweisen.

Am 28. Juni Abends, am Vorfeste der Apostelfürsten Peter und Paul, kamen die Feinde, dreihundert Mann stark, zur hälfte französische Dragoner vom Regiment der Rotröcke, zur Hälfte bairische Grenadiere, in Landeck an.

Durch das ganze Oberland hinauf waren sie nirgends auf Widerstand gestoßen.

Mit geübtem Blicke besetzten sie gleich das Schloss Landeck, und die damals bedeckte Innbrücke, um sich die am linken Ufer hinauflaufende Straße zu sichern, und mit gewohntem Feindesübermut setzten sie wie unter Bezwungenen schnell alles in Contribution. Es ist aufgezeichnet worden, dass sie, andere Gastwirte gar nicht zu gedenken, bei Johann Linser im jetzigen Posthause allein, während der zwei tage ihres Aufenthaltes vierhundertachtundsiebzig Maaß  weißen Etschländer und Veltliner, nebst allem nur erreichbaren wilden und zahmen Geflügel und anderen schmackhaften Viktualien verprassten. Die Reiterei mähte für ihre Pferde ohne Unterschied Wiesen und Äcker ab, und nahm ohne geringster Rücksicht aus den Ställen der Wirte alle brauchbaren Pferde weg. Allein der übermütige Feind hatte sich verrechnet, hier stieß er auf ein Völklein, das sich Misshandlung nicht so geduldig gefallen ließ.

Schon in den frühen Tagen, wo im Unterinntale Uneinigkeit und Verwirrung alle Verteidigungs-Anstalten vereitelt, hatten hier die Vorsichtsmaßregeln unter der Leitung des von Innsbruck gekommenen Gerichtsherrn Grafen Spaur, des Viertelvertreters Josef Landerer, Johann Lechleitners, und des Kuraten von Perfuchs, Martin Landerer, Hand und Fuß bekommen. Als nach erfolgtem Einbruche der Feinde die Leute vom wieder verlassen wurden, nahm ihre Einmütigkeit nicht ab, sondern zu. Der Wirt Johann Linser, voll Tätigkeit und Patriotismus, ritt noch in der Nacht vom 23. Juni  Richtung Prutz, das dortige Gericht, insbesondere den Pflegsverwalter von Laudeck, Martin Andreas Sterzinger von Sigmundsried, zu Rat und Tat aufzubieten.

Serzinger war ein Mann von gutem Landmatrikel einverleibten Adel; seine Vorfahren hatten bereits hundertfünfzig Jahre dem Kaiser und Vaterland gedient. Bedeutende Kenntnisse, populäre Geredsamkeit, und der Ruf unbescholtener Rechtlichkeit hatten ihn lange schon Tal auf Tal ab beim Volke beliebt gemacht. Er kam am 24. Herab gegen Landeck; im Linserischen Hause traf er die Gewalthaber vieler Gemeinden; man beschloss nach Imst zu gehen, wo der Pfleger Reinhart ebenfalls allgemeines Vertrauen genoss, um in den Sachen Unterredungen zu pflegen. Hier erhielt man nähere Auskunft über den Zustand des Unterinntales; man fasste den Entschluss in Masse aufzustehen, und dem bedrängten Unterland zu Hilfe zu eilen. Aber bald musste man andern Sinnes werden. Am 26. Und 27. Juni kam das von Ehrenberg und Scharnitz abziehende Gschwindische Militär nach Landeck, und zugleich die Kunde, dass im Unterinntale alles verloren sei. Man gab also dsen Plan dahin zu ziehen, auf, suchte das Militär zu bereden, in Landeck zu bleiben, und sich hier gegen den etwa vordringenden Feind zu halten; man ritt mit den Offizieren in die Engpässe und Schluchten, und zeigte ihnen die Vorteile, welche die Örtlichkeit darbot. Allein das Militär musste seinen Aufträgen nachkommen, und wäre es auch nur um zu fliehen. Die Landecker, fest entschlossen, sich keinem Feind zu unterwerfen, wendeten sich nun an den kaiserlichen Landvogt ind den Vorlanden, Grafen Mar von Königsegg, einem wohlgesinnten Herrn, um Hilfe, und gleichzeitig ritt Johann Schweikhofer auf Kundschaft gegen Innsbruck. So standen die Sachen, als die Landecker am 28. Juni durch die Ankunft der Feinde überrascht, und sogleich von ihrem Übermut misshandelt wurden.

Mit einer unserem Volke eigentümliche Verschwiegenheit, und mit einer Ruhe, als handelte es sich um gewöhnliche Tagesgeschäfte, versammelten sich am 29. Juni die Gewalthaber der obern Gerichte und vieler Gemeinden, mit unerhörter Kühnheit gerade im Linserischen Hause, wo die feindlichen Offiziere uns Soldaten zechten und prassten, und entwarfen hier unter den Augen der Feinde den Plan zu deren Vernichtung. Es waren beisammen Mathias und Josef Lechleitner, Martin Jais, Mathias und Peter Weißkopf, Ferdinand Kolp, Johann Schweikhofer, Johann Mungenast, Johann Schimpfössel, und ein gewisser Martin , der nicht näher bezeichnet wird. Als redner unter Ihnen Martin Landerer, Kurat von Perfuchs, vielleicht auch Leo Tasch und sein Bruder Dominik Tasch.


Der Festtag hinderte, dass die Versammlung Aufsehen erregte. Sie ratschlagten über den Angriffsplan. Austauschende Bedenklichkeiten entkräftete der beredete Kurat von Perfuchs. Es kam nun folgender Plan zu Stande. Man soll sich in Landeck ruhig halten, den Feind in die Schlucht gegen Prutz hineinlassen, und erst dort über Ihn herfallen. Zu diesem Zweck sollen die oberen Gerichte sich erheben, die Pontlatzbrücke abtragen, die beiden Talseiten besetzen , am Fließerberge Steinlager aufschichten, und auf gegeben Zeichen auf allen Punkten zugleich angreifen. Inzwischen sollen die Landecker aufstehen, und ihm den Rückweg sperren. Die nähere Anordnung und Ausführung bleibe den Oberländern überlassen. Am Tage und in der Nacht vor den Angriffen soll niemand von Prutz herunter, und wer von Landeck hinaufkomme, nicht mehr herabgelassen werden. Empfehlung des Geheimnisses hielt man für überflüssig. Abends zerstreuten sich die Gewalthaber, und brachten die Kunde vom Plane in ihre Gerichte und Gemeinden.

Um Aufsehen zu vermeiden, war Sterzinger bei der Verabredung nicht zugegen gewesen. Er übernahm aber sofort die Ausführung des Planes in den oberen Gerichten. Seine Vetter Peter Sterzinger, Gerichtsschreiber zu Laudeck, und Christian Josef und Andreas Sterzinger standen ihm hilfreich zur Seite. Er bot sogleich die Sturmmassen von Laudeck, Pfunds und Naudersberg auf und hielt eine kraftvolle Rede an die Versammelten:

Männer ! sprach er, unser Land stand schon öfters in Gefahr, ein Raub der Feinde zu werden, so zur Zeit der Schweizer- und Schwedenkriege. Aber gerade diese Gegend, Landeck und die heraufwärts gelegenen Gerichte, waren es , welche den Appenzellern das Vordringen verleideten. Der Schwede wagte sich gar nicht in unsere Nähe. Ebenso haben unsere Väter ihre Treue zu Fürst und Vaterland zur Zeit Friedrichs mit der leeren Tasche auf eine Weise bewiesen, wie kein anderer Landesteil. Jetzt ist das Land wieder in gleicher Lage ; das Unterinntal verloren, Innsbruck in Feindesgewalt, der Baier und Franzose bereits in Landeck. Alles schaut auf uns, die Enkel jener Männer, die bei dem Unglück ihres Fürsten Tränen vergossen, und die Waffen für ihn ergriffen; alles schaut, was wir tun werden. Lassen wir sie ziehen, so ist das ganze Land hinein und hinein verloren; denn Pässe und Schluchten, wie bei uns, so leicht zu verteidigen, gibt es keine mehr; widerstehen aber wir, hemmen wir Ihren Lauf, so wendet sich das Glück, die Ober- und Unterländer bekommen Mut, und uns gebühren neuerdings das Verdienst, das Vaterland für den Kaiser gerettet, und unsere unerschütterliche Treue bewiesen zu haben. Schwer ist das Unternehmen nicht; ich habe genaue Kenntnis von der Zahl der Feinde; sie ist nur gering; Hilfe kommt nicht sobald nach. Auf also Männer! Bewährt Euren alten Ruhm. Oder wollt Ihr Euch wirklich von den Baiern unterjochen lassen? Was Euch , eurem Viehe, euren Feldern, Eurer Hab und Gut bevorsteht, mag Euch die Contributions-Forderung erraten lassen. Oder wollt ihr wirklich den Kaiser Leopold, der uns wie ein Vater leibt, verlassen, und ohne Widerstand euch als Knechte dem Feinde unterwerfen? NEIN! Das geschieht nicht ; ich schwöre Euch , bis auf den letzten Blutstropfen an eurer Spitze zu stehen, schwört auch, für Kaiser und Vaterland mir treu zu folgen“


Die Rede begeisterte Alles; sie schwuren ihm Treue, und gelobten Gut und Blut für Kaiser und Vaterland aufzuopfern. Nun zog er am 30. Juni mit seinen Schaaren zur Pontlatzerbrücke, ließ diese abtragen, an beiden Bergseiten Verstecke für die Schützen anlegen, und am Fließerberge hinaus , schwebend ober der Strasse, Steinlager aufschichten. Dazu bestellte er 400 Mann und unterstützte sie mit 100 auserlesenen Schützen. Sie sollten sich , in Schussweite ober der Strasse bis zum alten Zoll hinunter, im Gebüsch und hinter Steinen verstecken, keiner sich rühren, und den Feind Richtung Brücke anrücken lassen.

Erst wenn sie dort das Zeichen sähen oder hörten, sollten sie sich auf einmal erheben, und mit Steinen und Kugeln den feind angreifen. Die Schützen sollten aber nicht auf Geratewohl in den großen Haufen feuern, sondern jeder sich einen Mann auswählen. Jenseits der Brücke, auf Prutzerseite, ließ Sterzinger zwei kleine Stücke, nebst einigen Doppelhacken aufführen, und mit einer Brustwehre verkleiden. Nun wurde, außer den Boten niemandem mehr erlaubt, nach Landeck zu gehen, und überhaupt allen die größte Wachsamkeit und Stille empfohlen. Und in der Tat, groß war die allgemeine Treue. Obwohl Boten von Pontlatz nach Landeck und von Landeck nach Pontlatz hin und her gingen, und in Landeck viele um das Geheimnis wussten, entschlüpfte dennoch keinem auch nur ein Wörtchen, das auf das Geheimnis hindeutet hätte.

Indessen war doch der ganze Plan trotz aller Verschwiegenheit nahe daran zu scheitern, hätte nicht ein Zufall seine Ausführung wesentlich gefördert. Der Churfürst, wahrscheinlich durch den Widerstand jenseits des Brenners erschreckt, und besorgt um das Schicksal seiner in das Oberinntal entsendete Truppen, schickte ihnen am 29. Juni einen seiner Adjutanten mit Verhaltungsbefehlen, vielleicht auch mit den Auftrag zum Rückzug nach. Aber bald außer Imst schoss Christian Seelos, ein Bürger des Marktes, aus unbekannten Gründen, vielleicht war er eingeweiht in den Plan der Oberländer, den baierischen Kurier vom Pferde, und brachte seine Depesche dem Magistrate. Daraus ersah man nicht nur, welche Anfälle dem Feinde jenseits des Brenners begegneten, was zur Ermunterung der Oberinntaler sehr viel beitrug, sondern die Feinde blieben auch ohne weitere Weisung bei ihrer ursprünglichen Marschroute.

Am Sonntag also 1. Juli traten die Baiern mit erster Morgendämmerung ihren Einzug in die verhängnisvollen Schluchten zwischen Landeck und Prutz an, viele ohne andern Ausweg als in das Reich der Toten. Das Tal windet sich, tief einschneidend, schmal und krumm, zwischen hohen fast überall senkrecht aufragenden Bergen hinauf gegen Prutz. Am Ein- und Ausgange bei Landeck und Pontlatz schließen es zwei enge Felsentore, welche der im Tale brausende Waldstrom durchbrochen. Zwischen diesen Felsentoren weitet sich das Tal an einigen Orten etwas mehr, aber kaum irgendwo über Schussweite. Beide Gebirgsseiten deckte damals Gebüsch und Wald. Die Strasse verlief im tiefen Talgrunde um alle Vorsprünge und Krümmungen herum, am linken Innufer hinauf bis Vordergalmigg, setzte dort über den Inn, erklimmte am rechten Ufer die Höhe des alten Zolles, und senkte sich von dort in weiter Bogenlinie gerade unter der Steingant, die jetzt noch Schauder erregt, sanft hinunter zur Taltiefe, um über die Pontlatzbrücke in die breite Ebene von Prutz auszumünden. In diese schon friedlichen Wanderern schauerliche Gegend, wagten sich nun die Feinde in unbegreiflicher Sorglosigkeit, ohne Kundschafter und ohne Vortrab.

Mochten auch die Schrecknisse der menschenleeren und lautlosen Gebirgsschlucht, die tief herabhängenden Nebel, und das Dunkel regnerischer Witterung, in mancher Brust unheimliche Ahnung wecken, im Ganzen trabte die feindliche Schaar gedankenlos den weg hinauf. Schon kam sie beim Zoll vorbei, näherte sich schon allmählich der Pontlatzerbrücke, als doch endlich die tiefe Stille, nirgends ein Wanderer, in den Gebirgsseiten etwas, wie versteckte Brustwehren, auf der Strasse einzelne herabgerollte Steine und Abfälle gezimmerter Bäume Verdacht erregten. Ein Offizier ( Es soll Novion selbst gewesen sein) reitet vor, zieht sein Fernrohr, untersucht die verdächtigen Punkte, und entdeckte zu seinem Entsetzen nur allzudeutlich in der Tiefe bei der Brücke, und in den Bergseiten die mordlauernden Feuerröhre hinter den versteckten Brustwehren. Allein es war zu spät. Während er sich umwendet, und seinen Kameraden : „Verrat!“ entgegenruft, blitzt schon das verabredete Lärmzeichen, und hinter jedem Baume, hinter jedem Felsen knallt eine heißbrennende Kugel hervor, von allen Hügeln rollen losgelassene Steinlager krachend nieder, und ringsum erschallt jauchzender Siegesruf. Schrecklich war die Lage der Feinde. Beinahe senkrecht unter die zerschmetternden Steine hingestellt, haben sie auf der einen Seite den tiefen Abgrund des reißenden Innstromes, auf der anderen die steile Bergwand neben sich, und können weder vorwärts noch rückwärts entfliehen. Das Blitzen der Feuerröhre, das donnernde Krachen der niederstürzenden Felsentrümmer, der nebeldüstere Tag wirken wie die Schrecknisse des jüngsten Gerichtes auf die entmutigten Ausländer. Einige warfen sich auf die Knie und flehten um Erbarmung, andere, namentlich die Reiter, sprengten in den Inn, und stürzten mit den Pferden in dem reißenden mit Felsstücken gefüllten Strombeete; und wie furchtbar die herabrollenden Steine in die unglücklichen Reihen eingriffen, beweiset die Tatsache, dass in der nähe des alten Zolles einige Feinde von denselben auf die entgegengesetzte Talseite hinüber geschleudert wurde. Die Trommel eines solchen Unglücklichen wart zum Wahrzeichen des schauerlichen Ereignisses in der Zöllnerfamilie Stapf bis auf unseren Tage aufbewahrt. „Es war ein Elend , schrieb Sterzinger, der den Fliehenden auf dem Fuß nacheilte, an den Landeshauptmann, die Strasse mit toten Soldaten und Pferden besät zu sehen; wir sammelten viel Gebäck, Geld, Sattelzeug, und fingen einige sechzig der schönsten Teitrosse.“

Aber jetzt ging die Not der Geschlagenen erst in Landeck an. Gleich nach dem Aufbruche der Baiern waren hier die Wege dach Zams verhackt, die dortige Brücke abgetragen, und mit Schützen besetzt worden. Die übrige Masse der Landecker Sturmmannschaft, an ihrer Spitze Domonik Tasch, Vater fünf gleicher tapferer Söhne, schlechthin Kasperle Tasch genannt, Josef Landerer, und ein Fließer zuganannt Stapfle, Altvorder einer Familie, welche später dem Staat und der Kirche ausgezeichnete Männer lieferte, stellte sich teils unter dem Schlosse Landeck, auf dem Haarwaale, teils auf der gedeckten Brücke, da wo jetzt der alte Weg über den Inn führt, teils in den Baumgärten unter Perfuchs auf, und erwartete den flüchtigen Feind. Weit hinaus der Kühnste war Dominik Tasch. Um den Feinden das Eindringen in Landeck zu wehren, stellte er sich, wie einst Horatius Cocle, an den Eingang der Pfahlbrücke, und schlug, als der Marquis Novion, der Graf Porzia und mehr andere Offiziere dahersprengten, mit seiner Keule so gewaltig um sich, dass sein Feind über die Brücke kam. Ein Paar der eindringendsten Reiter schmetterte er im Augenblick,wo sie ihre Pistole auf ihn abdrücken wollten, mit kräftigen Schlage in den Inn hinunter. Diesen Widerstand setzte Tasch so lange fort, bis einige andere Männer einen Nussbaum gefällt, und quer über die Strasse herunter geworfen hatten.Nun war der Weg gesperrt, und Tasch sprang zu seinen Leuten zurück. Sogleich viel von allen Seiten ein Hagel von Kugeln unter die gehemmten und sich drängenden Reiter. Die Bauern rannten aus den Obstgärten von Perfuchs auf die Strasse hinunter, und schossen die Feinde von ihren Pfreden, oder schlugen sie mit ihren Äxten herab . Aus diesem Gemetzel rettete sich der Grenardierhauptmann Graf Porzia mit einigen Dragonern und Grenardieren in einen Stall, da, wo jetzt die Gärbe steht. Er ließ die Türen verrammeln, und auf die nacheilenden Bauern herausfeuern, wodurch einige verwundet wurden. Hierüber ergrimmt stießen unsere Leute die Tore ein, und erschlugen die Soldaten mit Äxten. Graf Porzia hielt, auf den Knien liegend und um Schonung des Lebens flehend, einen Beutel voll Gold empor, aber ein schlechter Bube, wie Sterzingers Bericht sagt, spaltete ihm mit seiner Axt den Kopf . ( Herr Jäger schreibt hier einen Zusatz: Ich hielt mich in der Darstellung dieses Ereignisses lieber an Sterzingers Bericht, als an die Munde des Volkes noch lebende Sagen. Nach Landecker Überlieferungen soll der vorerwähnte Tasch die Tat begangen habe; er soll von oben durch das Futterloch in den Stall hinab gestiegen sein, und Porzia erschlagen, später aber seine Übereilung öfters bereut haben. Allein wie wenig der Sage zu trauen, mag folgendes beweisen. In Pfunds versicherte man mich alles Ernstes, dass obige tat ein Pfundser Holzarbeiter, Namens Urban Westreicher, dessen Urenkel die Tradition in ihrer Familie bewahren, ausgeführt habe. Man berief sich auf die Abbildung, welche sich am holzernen Kästchen befindet, worin die Pfundser den ihnen vom Kaiser Leopold 1704 zu Belohnung ihrer Treue und Tapferkeit geschenkten silbernen Becher aufbewahren. In den vier Ecken dieses Kunstreich gearbeiteten Kästchens stehen vier Männer, welche Portrate zu sehn scheinen. Eines davon soll Urban westreicher vorstellen.) 

Während dies im Jägerstalle vorging, waren der Marquis Novion, Graf Taufkirchen, Oberstleutnant der Monasterolischen Dragoner, und ein französischer Generalmajor, dessen Name nicht aufgezeichnet wurde, über die Landeckerbrücke entkommen, und sprengten mit einigen 20 Dragonern durch Landeck der Zamserbrücke zu. Allein dort mussten sie sich Kriegsgefangen ergeben. So entrann also von der ganzen feindlichen Abteilung kein Mann, der die Kunde der Niederlage dem Churfürsten bringen konnte. Über die Zahl der Toten lauten die Angaben verschieden. Der zuverlässigsten Quelle zufolge verloren nur einige sechzig ihr Leben, wohl aber waren sehr viel verwundet.

Die Gefangenen brachte man auf das Schloss Landeck, wo sie, und ganz vorzugsweise die Verwundeten, mit aller Menschlichkeit und Liebe gepflegt wurden; denn nicht gegen den Menschen kämpfte der Tiroler, sondern gegen den Feind, der mit bewaffneter Hand sein Vaterland anfiel. Hatte es den Landeckern früher wehgetan, der feindlichen Willkühr Küche und Keller öffnen zu müssen; so boten sie jetzt den Vernichteten und Leidenden mit christlicher Liebe freigebig Alles an, was Küche und Keller noch übrig hatten. Der Wir Reheis allein schickte ihnen an einem Tag achtundfünfzig Maas Wein. Später lieferte man die Gefangenen teils in das Etschland, teils nach Bregenz. General Novion kam auf das Schloss Naudersberg, wo er den ganzen Sommer gefangen saß, vergeblich auf Befreiung durch die Seinigen wartend. Von unseren Leuten war nur einer Tod geblieben, aber mehrere verwundet worden.

Nach diesem glänzenden Siege überließen sich unsere Schaaren nicht lange heiterer Freude, sondern dachten bald daran, die erungenen Vorteile weiter zu verfolgen. Die Sturmmannschaft belief sich auf ungefähr viertausend Köpfe. Abends trafen unter einem gewissen Hauptmann Koppenhagen achtzig Mann österreichische Soldaten mit einigen Offizieren in Landeck ein. Sie kamen von Feldkirch, woher Graf Königsegg sie zu Hilfe gesendet. Unter  ihrer Mitwirkung beschloss man alsogleich weiter ins Inntal hinab zuziehen,alle Gerichte aufzubieten, und zum Entsatze von Ehrenberg den Feinden nach zueilen. Die streitlustigen Haufen rückten also noch Sonntag Abends bis Mils vor, wo ein Teil unter Koppenhagen zurück blieb, während ein anderer nach imst und mit den dortigen Scharfschützen nach Nassereit voran eilte.

Von Imst aus hatte unter dessen der Pfleger Reinhart den Plan der Oberländer den Gerichten Petersberg und Hörtenberg mitgeteilt, und nicht nur sie, sondern auch über Amras hinunter bis Innsbruck alle Gemeinden zur Teilnahme aufgefordert. Montag Morgens kam Sterzinger selbst nach Telfs, um nebst seiner Hilfe auch Begeisterung den Aufgebotenen mitzuteilen. Allein in den Gerichten Hörtenberg und Petersberg herrschte nicht der tapfere Sinn des Oberlandes. Ausschussmänner traten zwar in Silz zusammen, die Boten brachten aber Sterzinger die Erklärung: „Haben die Oberländer viel angefangen, sollen sie viel auskochen“.

Auf diese schimpflich- feige Antwort eilte Sterzinger gegen Nassereith zuzrück, um mit Seinigen allein dem Feinde nach Ehrenberg nach zu jagen. Zur Sicherung seines Rückens ließ er den Miemingerberg besetzen, zu Magerbach die Brücke abwerfen, und zur Deckung des rechten Innufers bei Wens die Pfundser und Nauderserschützen aufstellen.

Aus Nassereith waren unsere Leute Montags früh vor Fernstein gerückt. Die Feinde hatten sowohl den Pass als auch die weiter oben gelegene Schanze besetzt. Um ihnen jede Unterstützung von Ehrenberg her abzuschneiden, griffen unsere Leute vor allem die obere Schanze an, und erstürmten sie um 12 Uhr. In folge dieses Unfalles ergab sich auch die Besatzung des Fernsteins. Der Kampf hatte bei 12 stunden gedauert. Nun eilte Alles weiter zum Entsatze von Ehrenberg. Um den dortigen Kommandanten über die nahe Hilfe in Kenntnis zu setzen, schickte man zwei ortskundige Bauern voraus, Christoph Rauth von Lermoos, und Philipp Wörle von Bichelbach. Aber kaum gelangten die Oberländerscharen in die Nähe von Heiterwang, als ihnen schon Botschaft von dem Übergange Ehrenbergs an die Baiern entgegen kam. Damit war es also zugegangen.

Das österreichische Militär war, wie ich schon früher erwähnte, auf General Gschwinds Befehl bereits am 26. Juni bis auf den letzten Mann abgezogen. Der verlassenen Festungskommandant, Johann Gaudenz von Rost, tat nun, was er nach so einem harten Verlust noch tun konnte. Um ruhigeren Herzens die Beschwerden der Belagerung zu ertragen, schaffte er seine Mutter, Gemahlin und Kinder hinüber zu seinen Verwandten in die Schweiz. Dann rief er das Bauernvolk zusammen, ermahnte es zu kräftigem Widerstand, und wies ihm sowohl in als außer der Festung die Plätze an, wo es sich gegen die Feinde behaupten sollte. Allein Rost fand hier nicht den Mut, welchen die Oberinntaler unter Sterzinger bewiesen. Hier herschte derselbe Widerwillen und dieselbe Verzagtheit, die im Unterinntale alles zerstört hatte. Anstatt also die angewiesenen Posten zu besetzen und zu verteidigen, stellten sich die mehr auf Flucht als Kampf bedachten Ehrenberger da auf, wo es ihnen am bequemsten schien. Als hierauf die Feinde am 30. Juni heranrückten, und sogleich auf die Schanze Claudifort, wo auch die Schweden festen Fuss gefasst hatten, losgingen, liefen unsere Leute beim ersten Trommelstreich auseinander. Etwas tapferer benahmen sich die Bauern in der Festung. Diese wollten dem Feind den Besitz der Schanze nicht so gutwillig einräumen und eröffneten ein Feuer auf ihn, das auf beiden Seiten 3 Tage und 3 Nächte beinahe ohne Unterbrechung fortgestezt wurde. Am Montag, 2. Juli, bekam Lützelburg Kunde vom Heranrücken der Oberländer, er wollte also die Festung um jeden Preis erobern, ehe er zwischen zwei Feuer käme. Da die Besatzung größtenteils aus Bauern bestand, die Weib und Kinder zu Hause hatten, ritt er Abends mit sechzig Reitern und zweihundert Fußknechten hinunter nach Reutte, und zwang die Marktvorstände zu Ausfertigung eines Briefes an den Festungskommandanten, worin sie ihn wehmütiglich zur Übergabe auffordern mussten, um Brand und Mord von ihnen abzuwenden. Das tat Wirkung. Die auf neunzig Mann zusammengeschmolzene Besatzung ( mehr als zweihundert waren am zweiten Tag der Belagerung wie Katzen über die Mauern entsprungen) drohte ebenfalls zu entlaufen, wenn er sich nicht ergebe. Rost, von allen Seiten verlassen, und ohne Kunde vom Anzuge der Oberinntaler ( denn die ausgesendeten Boten waren in einer Kneipe stecken geblieben) ward also genötigt, mit dem Feind zu unterhandeln. Er überschickte daher dem General Lützelburg die Bedingungen, unter denen er die Festung übergeben wolle. Da geschah ein Auftritt, der ein sonderbares Licht auf die Leute der Besatzung wirft. Kaum war der Bote mit dem Unterwerfungsvertrag aus der Feste entlassen, als auf einmal die Bauern vor Rost hintraten, und sich zur tapfern Gegenwehr erboten. Rost über den Wankelmut erstaunt, rief ihnen entgegen: „Ihr seit sonderbare Leut! Durch die zudringlichsten Bitten konnte ich euch früher zu keinem tapferen Widerstand bewegen; ihr selbst zwanget mich, mit dem Feinde zu unterhalten. Doch ich will meinen Brief zurückfordern, und die Unterhaltung abbrechen, und mich bis zum letzten Blutstropfen wehren. Aber auch ihr müsset Männer sein; ich will vor dem heiligsten Sakrament Treue schwören; aber auch ihr müsset dort dasselbe zun.“

Allein soweit reichte der Mut der Ehrenberger nicht; bis zum Eide wollten sie es nicht kommen lassen, und das Flämmchen der augenblicklichen Begeisterung erlosch, wie es entstanden war. Rost ließ also den Unterhandlungen ihren Lauf, und die Übergabe ward noch am 4. Juli abgeschlossen. Am 6. Juli nahmen die Baiern Ehrenberg in Besitz; die Besatzung durfte frei abziehen. Rost, durch das Missgeschick völlig vernichtet, und vom Pöbel noch darüber hin als Verräter verfolgt, zog sich nach Konstanz zurück. Seine Unschuld ward später am kaiserlichen Hofe so glänzend anerkannt, dass nach der Wiedereroberung Ehrenbergs die Kommandantenstelle gerade ihm als dem tüchtigsten und treusten Diener wieder anvertraut wurde. General Lützelburg legte hierauf eine Besatzung von 300 Mann in die Feste, und kehrte mit den übrigen Teile seiner Truppen am 11. Juli wieder nach Innsbruck zurück.

So wurde also in denselben Tagen durch Mut und die Tapferkeit der Oberländer die Feinde geschlagen, und durch die Feigheit und Unordung der Ehrenberger eine der wichtigsten Landesfestungen verloren. Indes dauerte die Freude der Baiern und Schmach der Unsrigen auch hier nicht lang; bald erwachte das Selbstvertrauen, und der schimpfliche Verlust Ehrenbergs ward durch glänzende Wiedereroberung getilgt.

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Der Kriegsjahre 1796-1801

in Ried im Oberinntal


Österreichische Stellungen im Ortsteil St. Christina Ried im Oberinntal gegen die drohenden französischen Angreifer aus Richtung Pfunds kommend !!!


Geschichte Vintschgau 1861

Pfandler in Innsbruck


Auszug  Seite 42